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Vor der Bundeswehrzeit war Pfarrer Stefan Werdelis
fünf Jahre in einer Landgemeinde und zwei Jahre in Speyer tätig
Wie von einem Brennglas verstärkt
prizren
– „Wenn man zu Hause bei den Soldaten mitreden will, braucht man die Einsatz-Erfahrung“, ist Stefan Werdelis überzeugt. Inzwischen kann auch er längst mitreden: Seit Mai ist der evangelische Militärseelsorger zusammen mit rund 3000 deutschen Bundeswehr-Angehörigen in Prizren stationiert.
Der Umgang mit dem Pfarrer sei unabhängig von der Konfession und kirchlichen Bindung „vertrauens- und respektvoll“. Vertrauen und Respekt aber wollen verdient sein, fährt Werdelis fort. „Der Einsatz ist kein Kurzstreckenlauf. Er erfordert Beharrlichkeit, Demut und Verlässlichkeit. Das kann auch bedeuten zu sagen, dass man bei einem be- stimmten Problem nicht helfen kann.“
Pfarrer Stefan Werdelis (Mitte) im Gespräch
mit Bundeswehr-Angehörigen in Prizren. 3150 Soldatinnen
und Soldaten sind zurzeit auf dem Balkan stationiert.
FOTO: Heesch
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Die Sorgen, mit denen sich die Soldatinnen und Soldaten an Werdelis oder einen der drei anderen deutschen Pfarrer in Prizren wenden, stehen nicht immer direkt im Zusammenhang mit ihrem drei- bis sechsmonatigen Dienst im Kosovo. „Es wird ja nicht alles schlechter, wenn man im Einsatz ist, aber auch nicht alles besser. Die Probleme von zu Hause gehen mit wie ein Schatten“, weiß der Seelsorger.
Allerdings können die besonderen Umstände, das Miteinander auf engstem Raum „wie ein Brennglas wirken. Das Leben im Lager verdichtet und verstärkt alle Gefühle in unge- ahnter Weise.“ Hinzu kommt die Trennung vom privaten Umfeld und all den Menschen, die darin eine Rolle spielen. Neben Partnern, Familien und Freunden können das auch Nachbarn oder der Sportverein sein, betont Werdelis.
Da werden viele zu fleißigen Briefeschreibern, die zuvor kaum je eine Zeile zu Papier brachten. „Post zu kriegen hat hier eine Bedeutung wie sonst nie“, erklärt der Pfarrer. Er selbst hält den Kontakt mit der Heimat, Ehefrau und Kindern in verschiedener Weise: Briefe seien etwas für die Sinne. Man kann sie anfassen, das Knistern hören, und manchmal würden sie sogar parfümiert. Telefonate eignen sich für eilige Mitteilungen, aber auch für den Gutenachtkuss. Und häufig verbringt das Ehepaar Werdelis abends eine Stunde miteinander beim „Chat“, einer Unterhaltung per Computer.
Neben seinen regelmäßigen Besuchen im Internet-Zelt geht der 43-Jährige am Abend gern einmal in die „Oase“, eine der vielen sogenannten Betreuungseinrichtungen für die Soldatinnen und Soldaten im Feldlager Prizren. Sie ist ein gemeinsames Projekt der evan- gelischen und katholischen Arbeitsgemeinschaften Soldatenseelsorge. Dienstgrad, Nationa- lität und Religion der Soldaten sollen in der „Oase“ keine Rolle spielen. Werdelis nennt sie „das Herz des Feldlagers“, einen Ort für kulturelle Veranstaltungen, Spiele und Treffpunkt für Runden aller Art.
Insgesamt drei solche Holzhäuser stehen als wiederverwendbare Baukästen für Aus- landseinsätze bereit. Das langgestreckte Gebäude beinhaltet einen „Raum der Stille“, zwei Gästezimmer und einen großen Saal. Nach dem Gottesdienst in der benachbarten Kapelle findet in ihm der Kirchenkaffee statt. Häufig bildet er auch den Rahmen für Begegnungen mit Angehörigen anderer am KFOR-Einsatz beteiligter Armeen, beispielsweise bei Auftrit- ten des von Soldaten aus drei Nationen gebildeten Chores „Canta Blanca“.
Abends verwandelt sich der Saal der „Oase“ zudem in ein beliebtes Restaurant, in dem man für den Pfarrer aus der Pfalz gern eine Spezialmischung zubereitet: Weizenbier mit Bananensaft. Die sei „gut für den Kaliumhaushalt“, versichert Werdelis.
von Kare Ahlschwede
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